Gedanken zum Kirschfest 2021
Dem Konzept für ein Kirschfest 2021 liegt zugrunde, dass es ein Kirschfest, wie wir es in den letzten ca. 30 Jahren bis 2019 gefeiert haben, nicht geben können wird. Das Zusammenkommen von Menschenmengen auf engstem Raum, z.B. ein Festplatz mit 15.000 Besuchern in 15 Zelten, ein Umzug mit 32 Bildern und Tausenden Betrachtern auf engen Straßen oder auch ein Hussitenlager unter nahezu mittelalterlichen Hygienebedingungen, wird im Juni 2021 auf alle Fälle nicht zu verantworten und auch nicht erlaubt sein. An oberster Stelle steht für uns alle der Schutz der Gesundheit und des Lebens aller potenziellen Mitwirkenden und Besucher des Kirschfestes. Was zur Eindämmung und Beherrschung der Pandemie erforderlich ist, muss umgesetzt werden. Keiner möchte und keiner darf in diesem Bereich unangemessene Risiken eingehen – und das Kirschfest womöglich für Jahre und Jahrzehnte mit dem Makel einer unverantwortlichen Durchführung belasten!
Ein zweites Jahr Unterbrechung der Kirschfest-Tradition sollten wir uns ebenso nicht leisten. Wir alle sehnen uns nach einer Abwechslung im Alltag. Gerade den Kindern und Jugendlichen sollen unvergessliche Erinnerungen an die Festtradition mitgegeben werden, die sie für immer auch an die Stadt Naumburg binden. Was ist also unter welchen Bedingungen möglich?
Denken wir das Kirschfest 2021 nicht negativ in dem Sinne, was wir vom „normalen“ Kirschfest streichen müssen, sondern positiv in dem Sinne, wie wir die Kirschfesttraditionen mit alten und neuen Ideen zum Leben bewahren und erwecken, wie wir also sprichwörtlich die Asche wieder zum Glühen bringen! Traditionslinien reichen viel weiter zurück als unsere jeweiligen persönlichen Erinnerungen. Um vorzudringen zu dem Kern dessen, was für uns das Kirschfest ausmacht, sollten wir uns vom äußeren Erscheinungsbild der letzten zehn, fünfzehn oder zwanzig Jahre lösen und weiter in die Vergangenheit schauen. Natürlich geht es beim Kirschfest um das große Feiern, das Treffen, Sehen und Gesehen-werden, die Ausgelassenheit und Sorgenfreiheit für einige Tage im Jahr. Aber was macht das Kirschfest besonders. Dabei sollten wir uns nicht nur von unseren persönlichen Vorlieben leiten lassen. Schließlich sollten wir bei allen unseren Überlegungen berücksichtigen, dass das Kirschfest von vielen Mitwirkenden gestaltet wird; es kommt deswegen darauf an, die Rahmenbedingungen für einzelne Aktionen so klar und eindeutig, aber auch so verhältnismäßig wie möglich zu gestalten, um dem privaten Engagement Spielräume zu verschaffen. Bei jeder Festlegung sollten wir auch den Blick der Durchführenden einnehmen – was ist für sie leistbar und zumutbar.
Der Vorstand hat seit September 2020 vor allem folgende Grundsätze und Traditionslinien in der Diskussion mit dem Gemeinderat und der Stadtverwaltung betont:
- Das Kirschfest ist ein Kinderfest. Es war schon ein Fest für Schulkinder, lange bevor es mit der Hussitensage verbunden wurde und es hat durch diese wunderschöne Geschichte einen noch stärkeren Kinderbezug erhalten. Auch die heutigen Kinder sollen diese Erfahrung selbst machen dürfen, am besten natürlich mit generationsübergreifenden, gemeinsamen Erlebnissen (soweit das geht). Der Schwerpunkt der Vorbereitungen wird jedoch sicherlich in dezentralen Aktionen – jeweils in der alltäglichen Umgebung (Kindertagesstätte, Schule, Schulklasse) – liegen müssen.
- Jede Einrichtung sollte geschmückt sein! Das machen die Einrichtungen
ohnehin, das Basteln, Gestalten der Zimmer und Fenster und der Flure
schafft Vorfreude. - Wenn das Basteln Spaß macht, könnte man auch darüber nachdenken, dass die Einrichtungen den Händlern in der Innenstadt KF-Schmuck zur Verfügung stellen oder leere Schaufenster zur Präsentation Dafür müsste es bei der Stadt einen zentralen Ansprechpartner für die Einrichtungen geben.
- Vielleicht können in jeder Einrichtung auch kleine Programme aufgenommen
und während der KF-Zeit an einer zentralen Zugriffsstelle im Internet ausgestrahlt werden? - Die Stadt wird am Freitag das KF-Frühstück für die Kinder in KiTa´s und Grundschulen sicherstellen, d.h. dass zentral KF-Zöpfchen bestellt und
(wohl vom Bauhof) verteilt werden. In den Einrichtungen sollte dazu aufge-
rufen werden, dass die Eltern, aber ggf. auch „auswärtige“ Unterstützer
Kirschen mitbringen – das ist immer noch ein besonderes Obst. - Am Freitag sollte in den Einrichtungen KF-Typisches veranstaltet werden.
Natürlich wird das KF-Lied gesungen, ggf. die o.g. Streaming-Angebote
genutzt werden. Schön wäre es, wenn in den Einrichtungen (wenige)
Besucher vorbeischauen könnten, z.B. der Prokop oder ein paar Hussiten
oder wenige kostümierte Besucher mit einer kleinen Aktion oder Teile der Stadtwache?
Vielleicht kann man in jede Einrichtung ein kleines Team zum Kirschkern-Weitspucken o. für andere Wettbewerbe (neudeutsch: Challenges) senden? - Alljährlich ist eine Grundschule verantwortlich für das Bild der Kirschfestsage im Umzug. Einen Umzug wird es nicht geben. Aber vielleicht ist es möglich, dass die Grundschule die KF-Szene auf dem Marktplatz aufführt – mit entsprechenden Absperrungen und Abtrennungen für eine kleine Anzahl an Zuschauern? Dann sollten vielleicht auch nicht die „schnellsten“, sondern vor allem deren Eltern und die Senioren Plätze auf dem Markt bekommen! Vielleicht kann man die Marktszene zugleich filmen und im Internet zum Live-Stream anbieten?
- Das Kirschfest wird seit mehr als 250 Jahren auf die Sage von der Belagerung
der Stadt Naumburg durch die Hussiten im Jahre 1432 und auf deren wunderbare
Rettung zurückgeführt. Das ist nicht nur eine schöne Geschichte, sondern verkörpert eine (wenn auch nur erfundene) sehr humanistische Tradition. Zudem sollte die Stadt Naumburg 2021 die Gastgeberin der Vereinigung der Städte mit hussitischer Tradition sein. Was geht? - Wir wissen aus Umfragen und aus eigenem Erleben, dass für viele das Hussitenlager mit seinem mittelalterlichen Leben, seinen besonderen Verkaufsständen und seinen speziellen Programmen mit Kleinkunst jeglicher Art eine hohe Anziehungskraft besitzt. Man muss wohl anerkennen, dass Mittelalter-Gefühl und AHA-Regeln nicht zusammenpassen. Sollte es dennoch weitläufige Stände entlang der Stadtmauer geben und kann man dann dort Menschenansammlungen mit einem vertretbaren Aufwand vermeiden (Zugangskontrolle, Einbahn-Wege)?
- Vielleicht sollte die Gelegenheit genutzt werden, etwas Wissen zu verbreiten? Welche sind die Städte mit hussitischer Tradition und worin besteht deren Tradition? Wie und wann feiern sie typischerweise ihr Hussitenfest? Die Stadtverwaltung sollte in ihrer diesjährigen Funktion die Städte jeweils auffordern, einen Videobeitrag über sich selbst zu produzieren und zur Verfügung zu stellen. Man könnte die Filme von der Homepage der Stadt und unseres Vereins aus verlinken, ggf. parallel eine Artikelserie in einer Zeitung verbreiten. Gleiches wäre für einige Symbole der hussitischen Bewegung möglich! U.U. könnten sich auch Vereine vorstellen, die solche Traditionen pflegen – Hussiten, Civitas etc..
- Das Kirschfest ist seit ca. 200 Jahren ein Fest nicht nur der Familien, sondern auch der Vereine und der gesellschaftlichen Gruppen. Besonderen Ausdruck hat dies stets auf dem Festplatz gefunden. Das Kirschfest ist nicht nur eine Bühne für die Vereine, um sich vorzustellen, sondern auch fester Bestandteil des Vereinslebens. Was können wir statt der traditionellen Vogelwiese anbieten?
- Auf dem Festplatz könnte – unter schmerzlichem Verzicht auf die sonst
übliche Vielfalt – eine zentrale Bühne aufgebaut werden, die ggf. tag- oder stundenweise von einzelnen Vereinen mit deren jeweiligen Programmen versorgt wird. Vor der Bühne müsste es sicher Absperrungen geben – je nach aktueller Infektionslage. Die zentrale Programmgestaltung reduziert zugleich die Kosten für die Vereine, sich zu präsentieren. - Wir sollten am anderen Ende des Platzes auch den Schaustellern Gelegenheit zur Präsentation bieten. Auch in diesem Gewerbe sind Hygienekonzepte entwickelt worden und vorhanden.
- In der Mitte zwischen beiden Polen sollten Standplätze für Vereine geschaffen werden – wohl nicht mit Zelten, sondern als Freiluft-Gastronomie, wohl mit viel weniger und lockerer aufgestellten Sitzmöglichkeiten.
- Für die Vereine, die keinen Platz auf der Vogelwiese bekommen können (oder sich selbst für diese Variante entscheiden), sollten weitere Standplätze im Stadtgebiet ausgewiesen werden. Denkbar ist die Nutzung des Domplatzes, des Topfmarktes, des Holzmarktes, des Marienplatzes, des Reußenplatzes oder des Curt-Becker-Platzes.
- Da die Wege zwischen den Plätzen länger werden, könnte – auch je nach Infektionslage – über Straßenmusik nachgedacht werden. Auftrittshungrige
Musiker dürfte es vielleicht genügend geben? Vielleicht muss es in besonderen Zeiten keine Bühne sein, sondern die klassische Straßenmusik? - Ein Höhepunkt eines jeden Kirschfestes ist der Festumzug. Es geht um das neugierige Sehen und das Gesehen-werden, um die Gelegenheit, in schöne Kostüme zu schlüpfen und andere Zeiten wiederauferstehen zu lassen. Allein die Abstandsregeln führen jedoch dazu, dass die meisten Bild-Ideen nicht mehr umsetzbar sind, vom Zuschauergedränge ganz zu schweigen.
- In Anlehnung an das vorige Jahr könnte man am Samstagnachmittag – vielleicht in einem Zeitfenster von 14 bis 18 Uhr – eine „Kostümzeit“ ausrufen, in der sich alle, die Spaß daran haben, verkleiden und so durch Naumburg flanieren können.
- Ein Spaziergang in festen Bildern verbietet sich wahrscheinlich, weil zu viele Personen aus zu vielen Haushalten zusammenkommen. Eventuell sind auch feste Laufwege und ein zeitlich gestaffeltes Loslaufen vorzugeben, um z.B. ein Auflaufen auf dem Marktplatz zu vermeiden.
- Weitere Veranstaltungsfelder:
- Was kann zur Eröffnung des Kirschfestes – mit einem dann neu gewählten Stadtoberhaupt – gemacht werden?
- Peter-Pauls-Messe: Nach den Erfahrungen des Töpfermarktes 2020 ist eine weitläufigere Aufstellung der Stände auf dem gesamten Lindenring gut denkbar und umsetzbar.
- In den bisherigen Beratungen ist bereits ein Konsens erzielt worden, dass es Holzkirschen für das Jahr 2021 geben soll. Vielleicht sollte die Form geändert werden, weil das Kirschfest auch ein anderes Gesicht hat (zweidimensionale oder nur halbe Kirschen? – Gibt es nicht auch einen angebissenen Apfel als Symbol?). Den Verkauf von 3.000 Kirschen halten wir für realistisch.
- Der Kirschfestverein hat mit der Agentur Paul Krümmling einen neuen Partner für die Gestaltung einer Kirschfest-Publikation Auch wenn weniger Programmpunkte zu verkünden sind, soll ein „Heft“ erscheinen, in zeitgemäßer Art sowohl in gedruckter Form als auch digital. Vielleicht ersetzen wir die Darstellung der Reihenfolge der Umzugsbilder durch die detailliertere Vorstellung einzelner Umzugsbilder (Konzeptidee, Akteure, besondere „Hingucker“), jeweils mit Bildmaterial? Vielleicht veröffentlichen wir an dieser Stelle historische Programme und Artikel aus alten Kirschfestführern?
- Auf alle Fälle muss natürlich die Stadt geschmückt Das ist nicht nur, aber auch eine Sache jedes Einzelnen – Geschäfte, Wohnhäuser, Fenster der Wohnungen. Die Stadtverwaltung hat bereits angekündigt, auch zu investieren in neue
Schmuckelemente im Stadtgebiet, z.B. Planen zum Überspannen der Fußgängerzonen mit KF-Motiven. Vielleicht lässt sich die Idee der „Straßengalerie“ in der Herren- oder der Jakobsstraße umsetzen, also ein Aufruf zur kunstvollen Bemalung von
Steinen o.ä. Naturmaterialien, die vor den Schaufenstern oder zwischen den
Geschäften ausgelegt werden können und zum Entlang-Spazieren einladen, z.B. am Sonntagnachmittag.
Auch wenn hier auf mehreren Seiten schon einige Ideen zusammengetragen sind, erhebt die Aufstellung keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Jede Idee ist willkommen und auf ihre Umsetzbarkeit zu prüfen.
Andererseits drückt inzwischen die Zeit auch schon, es geht also parallel auch um die konkrete Durchführung einzelner Aktionen. Das Kirschfest ist, wie ich gern betone, ein von der Mitwirkung vieler Menschen lebendes Fest. Es geht deswegen nicht nur um Ideen, sondern auch darum, dass jeder in sich geht und konkret sagt: Das kann und möchte ich zu einem Kirschfest 2021 beitragen! Dafür gibt es eine E-Mail-Adresse: post@kirschfestverein.de!
Anregungen, Anmerkungen, andere Ideen … sind herzlich willkommen. Hierfür gibt es die Möglichkeit per E-Mail an post@kirschfestverein.de oder auf allen anderen Kanälen zum Vereinsvorstand.
Lasst uns optimistisch sein!
Mit Hoffnung auf eine schöne Kirschfestzeit trotz aller Widrigkeiten
Jörg Wiedemann.